Weil bei DSGVO-Klagen der Sachverhalt oftmals identisch ist, ist es hier besonders leicht, Massenklagen in Gang zu bringen. „Denn anders als etwa bei Diesel-Klagen sind die Sachverhalte oft bei sehr vielen Fällen gleich gelagert, was das Verfassen einer großen Anzahl von Klagen massiv erleichtert“, erklärte Tim Wybitul (Kanzlei Latham & Watkins) gegenüber dem Handelsblatt.
Dieses Jahr wurde ein Fall bekannt, bei dem ein Rechtsanwalt geklagt hatte, weil er von einem Unternehmen ungewollt und ohne jegliche Einwilligung Werbe-Mails bekommen hat. Er forderte Schadensersatz in Höhe von mindestens 500€ und Unterlassung.
Das zuständige Amtsgericht sah das Zusenden der Werbe-Mails ebenfalls als Verstoß gegen die DSGVO, jedoch wiesen sie die Schadensersatzforderung ab. Aus ihrer Sicht war der Schaden der Mails „nicht ersichtlich“. Der Rechtsanwalt hingegen legte Beschwerde beim Verfassungsgericht ein und bekam recht.
In der Vergangenheit hat sich der Europäische Gerichtshof bei Fragen rund um den Datenschutz oft auf die Seite der Verbraucher gestellt. Aufgrund dessen schließt Datenschutzrechtler Wybitul eine Entscheidung im Sinne der Kläger nicht aus. „Sollten die Richter dies hier wieder tun, würden Klagen auf DSGVO-Schadensersatz ein noch größeres Risiko für Unternehmen darstellen als jetzt schon“, lässt er verkünden.
Du willst Datenschutz bei dir umzusetzen? Dann bist du hier genau richtig! Hier bekommst du ein Komplettpaket, mit dem du eine
Datenschutz-Dokumentation in nur 12 verständlichen Schritten bei dir einführen kannst.
Rolf Schwartmann, Vorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD), warnt bereits vor Geschäften mit Datenschutzvergehen. „Datenschutzfehler bei Unternehmen zu provozieren, um sich daran zu bereichern, ist irgendwie mies, aber nicht verboten“, sagt er.
Datenschutzexperte Wybitul schätzt die Situation ähnlich ein: „Neben den Klägern sehen auch andere Beteiligte hier ein Geschäftsmodell, etwa Verbraucheranwälte, Prozessfinanzierer, sogenannte Rechtsdienstleister und Legal-Tech-Unternehmen, die sich teilweise Forderungen gegen kleines Geld abtreten lassen.“
Schwartmanns große Sorge hierbei ist, dass die gesetzliche Lage „ausgenutzt“ wird, um Kasse mit Datenschutzvergehen zu machen. Sollte es so kommen, wie befürchtet, könnte sich das ganze zu einem flächendeckenden Problem für die Wirtschaft entwickeln.
Deshalb fordert er den Gesetzesgeber auf, tätig zu werden. „Dazu könnte er die Höhe der Anwaltsgebühren für derartige Verfahren so deckeln, dass sie für Anwälte nicht lukrativ sind.“
Ganz so leicht dürfte das allerdings nicht werden, weil es sich bei der DSGVO um Europarecht handle und das nicht einfach so vom deutschen Gesetzgeber umgangen werden kann.
Wybitul hält eine Deckelung der Anwaltsgebühren für weitestgehend ineffektiv. „Viele Anbieter arbeiten im Wesentlichen mit Erfolgshonoraren oder Abtretungsmodellen, mit denen sie einen Anteil vom Schadensersatz bekommen.“
SPD-Rechtspolitiker Johannes Fechner hingegen sieht keinen Handlungsbedarf. Für ihn sind das Versenden von Werbemails ohne jegliche Einwilligung ohnehin eine „unzumutbare Belästigung“ für den Verbraucher. „Dass es verboten ist, Werbemails ohne Einwilligung zu versenden, ist schon lange so und in der Sache absolut richtig“, erklärt er. „Wer sich rechtskonform verhält, hat auch keine Schadensersatzforderung zu befürchten.“